Neulich im Internet begegnete mir eine Flasche Mazière.
Sie begrüsste mich als vertraute Erinnerung. Auf dem FB post das Bild einer Flasche von vor 2006, bevor uns der Magier Jean-Michel Labouygues für immer verlassen hatte. Ein junges Paar hat vor wenigen Jahren das Weingut übernommen, aber die ausserordentlichen Weine Jean-Michel gibt es nach 2006 nicht mehr.
So wie man früher auf den nächsten Film von Godard oder Truffaut aus dem "Nouvelle Vague" des Films gespannt wartete, wartete man nun jedes Jahr auf den neuen Mazière, aus der "Nouvelle Vague" des Weins, dem "vin naturel". Sobald er da war, nahm der Kampf um die wenigen Flaschen seinen Lauf.
Angefangen hat das Ganze in den Neuzigern. Wir arbeiteten mit einer Toncutterin an einem Film in Paris. Beim Mittagsessen des Teams gab’s immer grosse Weine. Ich liebte das und deshalb besuchten wir ihren Mann, der damals die Cave Augé leitete, einen der bekanntesten Weinläden in Paris. "Was trinkst du am Liebsten?" war seine erste Frage. Ich zielte mittelhoch. Pichon Lalande 1961. Flasche auf. Der Korken perfekt. Der Wein grandios, ging gottseidank aufs Haus mit seinen über FF 600.- (ca 120 EUR). Dann kam eine unscheinbare Flasche für kleine FF 24.-. Naja, so nebenbei eingeschenkt. Naja hin oder her, schon beim ersten Schluck war mir klar, dass ich hier etwas Neuem, Ungewöhnlichem, vollkommen Eindrücklichem und Bewegendem begegnet war.
Dieser Wein war ein emotionelles Abenteuer.
Es war Mazière! Ein kleiner Schluck vom illustren Pichon Lalande zum Vergleich und ich musste schmerzlich feststellen, dass ich alles, was ich über Wein wusste über Bord werfen konnte, und ich bildete mir damals ein, Einiges über Wein zu wissen. Hier war Frische, Eleganz, geschmacklich explodierende Vielfalt, eine filigrane, gotische Kathedrale neben der puristischen Eindimensionalität dessen, was ich bis dahin im besten Fall gewohnt war. Aber ist das Leben nicht eine nimmer endende Gewohnheit?
Das Erlebnis Mazières hat jedoch meine Gewohnheiten und mein Verhältnis zu Wein gänzlich umgekrempelt, mich mit den Naturweinen in Berührung gebracht und einen vollkommen neuen und spannenden Abschnitt in meinem Leben entstehen lassen.
Ich vermisse oder bereue das damals Verlorene bis heute nicht und erlebe im Abenteuer Naturwein immer Neues und Unbekanntes, bei dem ich stets bereit bin dazuzulernen und mir neue Gewohnheiten zu eigen zu machen.
Herzlichen Dank, Wolfgang Panzer, Filmregisseur @wolfgangpanzer