Welcome to Orgine Natural Wines Berlin!

Wer ist Amòs Bañeres

Geposted von Claudia Sontheim am

Amòs Bañeres

Amòs stammt aus Barcelona und war Apotheker, bevor er beschloss, zu seinen Wurzeln zurückzukehren und Wein zu machen. Sein Großvater hatte in Alt Penèdes, im Landesinnern der Provinz Barcelona, Reben gepflanzt, die Amòs übernehmen konnte.

Alt Penedès ist die höchstgelegene Region des Penedès, sie liegt auf 850m Höhe und ist von Gebirgsketten durchzogen. Die Böden sind hauptsächlich aus kreidehaltigem Kalkstein, mit Sedimentgesteine und Fossilien durchsetzt, und die Weinberge sind unterschiedlich ausgerichtet.

Hier wachsen die autochthonen Traubensorten Xarel-lo und Macabeo. Die Gegend ist hautsächlich für die Produktion von «Cava», dem beliebten spanischen Schaumwein, bekannt. Amòs ist fasziniert von diesen sehr unterschiedlichen Traubensorten: Der robuste Xarel-lo hat eher rustikale Noten, während der zarte Macabeo durch seine zurückhaltende Eleganz besticht. Für ihn liegt die Herausforderung bei der Naturwein-Herstellung darin, Frische und Säure zu bewahren, und gleichzeitig die mediterrane Reife der Frucht zum Ausdruck zu bringen. Im Weinberg arbeitet er nach Bio- und biodynamischen Vorgaben. Im Weinkeller wird auf önologische Mittel und Zusätze verzichtet.

Im Jahr 2014 hat er mit Alex Ruiz, dessen Familie seit 100 Jahren Cava produziert, das Projekt «Els Vinyernons» gegründet, mit dem Ziel, erschwingliche Naturweine zu produzieren: «natural wine for the people – not just for the experts». «Els Vinyerons» produzieren Cava, Weiss- und Rotwein.

Seit 2017 bewirtschaftet Amòs eine kleine Rebfläche in Teneriffa.

Am Donnerstag, 24.6.2021 verkosten wir um 19:00 im Laden den Cava von Els Vinyerons «Pregadéu», sowie zwei Weine von Amòs Bañeres «Missatge en una Ampolla» 2018, Macabeo und «Diables» 2019, einen süssen Macabeo.
Amòs wird sich via Zoom dazuschalten.

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Wer ist Piri Naturel?

Geposted von Claudia Sontheim am

Geduld und Geschmack

Piri keltert an der Nahe Weißwein mit Maischegärung. Und hat dabei ihren ganz eigenen Stil gefunden

Ich ernte nicht nach Öchsle“, sagt Piri und bringt damit auf den Punkt, was ihre Art Naturwein zu machen auf so erfreuliche Art von der ihrer Kollegen und Kolleginnen unterscheidet: Piri ist erfrischend undogmatisch. Und sind wir ehrlich, auf dogmatische Kelternde trifft man in der Branche immer wieder. Sei es der altbackene Genossenschaftskellermeister, der aus Prinzip nichts unter 60 Milligramm Schwefeldioxid füllt oder der Naturwein-Hipster, der selbst Mikrodosen Schwefel auch nach verregneten Lesen mit bedrohlichem Pilzdruck kategorisch ablehnt. Piri macht eigentlich gar nichts einfach aus Prinzip – vom Verzicht auf chemische Spritzmittel mal abgesehen. Deswegen ist ihr Ansatz Naturwein zu machen auch eine Art Best-of aus Orange Wine, Maceration Carbonique und klassischer Weinbereitung.

Aber von Anfang an: Piri heißt eigentlich Christine Pieroth, wird aber von allen nur Piri genannt und hat deswegen ihr Weingut gleich so mitgenannt. Nach ihrem Studium in Geisenheim kehrte die junge Winzerin in den elterlichen Betrieb (Weinheimer Hof in Burg Layen an der Nahe) zurück. Der größte Teil der Rebflächen, die Piri gemeinsam mit ihrer Familie Stück für Stück auf biologische Landwirtschaft umgestellt hat, landet nach wie vor klassisch vinifiziert im Sortiment des Weinheimer Hofs. Mit der Linie Piri Naturel hat sie eine Möglichkeit gefunden, an ihrem eigenen naturnahen Stil zu feilen. Bislang stellen diese Weine nur einen Teil der Produktionsmenge dar – Tendenz steigend.

Maceration Carbonique: klappt auch mit Weißweintrauben

Um Piris Stil zu verstehen, fängt man am besten mit ihrem Weißburgunder 2019 an. Nach der Lese gibt sie die gesunden Trauben mit Stielgerüst nur leicht per pedes angequetscht für eine Woche in den Tank. Der Effekt: der Saft in den Beeren beginnt zu gären und hat Kontakt zu den Schalen und Kernen, deren feine Phenolik er während der Gärung auslaugt. Die Stiele hingegen hängen im wahrsten Sinne des Wortes in der Luft und geben ihre grünliche Aromatik nur in kleinen Dosen an den Wein ab. Mit Grauburgunder und Riesling geht Piri ähnlich vor. Neu ist das Verfahren zugegebenermaßen nicht. Im Beaujolais werden so seit jeher Rotweine gekeltert. Für Weißwein findet diese Maceration Carbonique der Kohlensäuremaischung genannten Gärmethode aber kaum Verwendung.

Im Glas hat der Weißburgunder wenig beziehungsweise viel von zwei Geschmacksgruppen, die häufig zusammengeschmissen werden: nämlich wenig Würze und viel Kräutrigkeit. Das will heißen, dass er intensiv nach Schnittlauch, Borretsch, Kerbel und Sauerampfer duftet, aber kein bisschen nach ätherischen ölhaltigen Kräutern wie Thymian oder Rosmarin. Außerdem erinnert der Wein an das Aroma von Sauerrahmbutter, aber ohne die fettige Komponente – eher wie Crème Fraîche aus der Normandie. Nur 11,5 Volumenprozent Alkohol hat er; nicht etwa weil Piri unbedingt einen hippen Low-Alc-Wein keltern möchte, sondern weil sie liest, wenn ihr die Trauben am besten schmecken.

Alkoholgehalt: keine Frage des Dogmas

Deswegen kann es auch vorkommen, dass ihre Weine deutlich mehr Alkohol haben. Im Hitzeherbst 2018 haben die Trauben schnell Zucker gebildet, aber noch nicht wirklich reif geschmeckt, erinnert sich Piri: „Ich habe lange überlegt, mich aber am Ende dafür entschieden, die Trauben hängenzulassen und auf den richtigen Geschmack zu warten“. Der 2018er Silvaner hat 14,5 Volumenprozent – ganze drei Prozentpunkte mehr als der Weißburgunder aus 2019.

Um dem fülligen Alkohol einen Gegenspieler entgegenzusetzen bleibt der Silvaner ganze sechs Wochen auf der Maische, zum Teil mit Stielgerüst, zum Teil entrappt. „Mit den Rappen spielen“ nennt Piri das. Denn während zu viel Stielgeschmack den Wein harsch, ruppig und grünlich wirken lässt, kann er richtig dosiert eine perfekte vegetabile Phalanx gegen den fetten Alkohol aufbauen. Stilistisch ist das ein neo-klassischer Orange Wine mit kräftigem Tanningerüst, reifer Zwetschge und einer Spur Bitterorange. Außerdem erinnert er an Ayurveda-Chai, hat eine eindringliche Teeigkeit und Aromen von Zimt, Süßholz, schwarzem Pfeffer und Rosinen.

Maischegärung: ein paar Tage bis mehrere Wochen

Wie viel lange ein Wein auf der Maische bleibt, ist maßgeblich für den Charakter des Weines. Dem Silvaner steht die Wucht der Stiele gut, die feingliedrigen Aromen des Weißburgunder würde sie vermutlich erschlagen. Die Entscheidung trifft Piri qua Geschmack: „Manchmal probiere ich Abends noch einen Tank und entscheide spontan ihn jetzt sofort abzupressen“. Nach Geschmack – und nicht nach Dogma – legt Piri auch fest wie viel Schwefel sie ihrem Wein hinzufügt. Sie probiert verschiedene Dosierungen aus, lässt die Proben ein paar Tage stehen und entscheidet sich für die überzeugendste Variante. In der Regel schwefelt sie mit 10 bis 20 Milligramm pro Liter kurz bevor der Wein in die Flasche wandert. Mehr benötigt sie nicht, da alle Weine bis zur Füllung auf der vollen Gärhefe lagern, die antioxidativ wirkt und den Wein schützt, wie eine Mutter ihr Kind.

Rotwein keltert Piri ebenfalls, wenn auch gut drei Viertel ihrer Produktion auf Weißwein entfallen. Bei ihrem Pinot Noir geht sie vergleichsweise klassisch vor. Zwei Wochen gärt er auf der Maische in großen gebrauchten Tonneaux, weitestgehend entrappt. „Nach Gefühl gebe ich ein paar Rappen mit hinein“, sagt Piri. Das Mundgefühl ist mit dem des Weißburgunders vergleichbar: zartes Tannin, prägnante Säure und moderater Alkohol. Ganz öffnen will sich der Wein erst mit ein wenig Luft im Glas, fährt dann aber voll auf, schmeckt nach frischer Zwetschge und reifer Süßkirsche. Einen Pét-Nat aus Dornfelder stellt Piri ebenfalls her. Dass die Rebsorte verschrien ist, allenfalls mittelmäßige Massenweine hervorzubringen, ist Piri egal. „Eigentlich mache ich da kein Hexenwerk draus“, sagt sie, setzt auf eine selbstbewusste Ertragsreduktion und keltert aus dem ungeliebten Kind einen fulminanten Wein. Zum Glück ist Piri nicht dogmatisch.

Diesen wunderbaren Text verdanken wir dem Autoren Paul Kern. Merci!
@champagnerschorle
www.champagnerschorle.de

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Wer ist Fabrice Dodane

Geposted von Claudia Sontheim am


Der Antioxidant

Lange war das Jura Heimat oxidativer Weine. Heute lässt sich mit Chardonnay wie dem Château Renard der Domaine Saint Pierre die Kargheit der Region erkunden

Kaum jemand keltert reduktivere schwefelfreie Naturweine als Fabrice Dodane. Auf den 5,5-Hektar Kalkboden seiner Domaine Saint Pierre nahe Arbois entstehen einige der feingliedrigsten Weißweine des Jura, karg und grazil wie eine guter Puligny-Montrachet. Vor 20 Jahren hätte niemand gedacht, dass es hier mal derartige Weine gibt. Denn die Region stand das gesamte 20. Jahrhundert für Vin Jaune: einen nussigen, goldgelben Wein aus der Rebsorte Savagnin, der oftmals zehn Jahre im Fass reift und entfernt an einen trockenen Sherry erinnert.

Zwar gab es hier auch schon immer andere Weine, doch da der Vin Jaune als Referenz für gutes Handwerk galt, waren auch diese anderen Weine von ähnlich nussiger Machart. Mit Oxidation – andernorts dem schlimmsten Feind des Winzers – ging man im Jura schon immer etwas lockerer um. Durchforstet man alte Verkostungsnotizen, stößt man fast ausschließlich auf Vokabeln wie Haselnuss, Honig, Diesel, Curry, gegrilltes Fleisch oder auf Analogien zu Sherry. Fabrice Dodanes Weißweine schmecken kein bisschen nach Grillfleisch, nicht nach Honig und nicht nach Sherry. Winzer wie er, oder auch dessen Schulfreund und Inspirationsquelle Jean-François Ganevat, haben diesen Stil ein Stück weit hinter sich gelassen. Blank geschwefelte Weine keltern sie aber zum Glück trotzdem nicht.

Schwefeln kann sinnvoll sein…

Schwefel ist einer der ältesten Zusatzstoffe. Schon die Römer sollen ihren Wein so haltbar gemacht haben. Der Sinn von Schwefel liegt auf der Hand: Er bindet – gröbst vereinfacht – an Sauerstoff, bevor der Sauerstoff an den Wein binden kann. Ist Schwefel vorhanden, oxidiert der Sauerstoff den Schwefel anstatt den Wein. Einen reduktiven Wein zu keltern, ist also mitnichten eine Kunst, man muss nur gewaltig Schwefeln. Die große Krux: der Schwefel kann Aromastoffe eliminieren, weswegen überschwefelte Weine todlangweilig schmecken können.

Grob vereinfacht kann man alle Weine in reduktiv und oxidativ einteilen: in solche die mit und solche die fast ohne Sauerstoffeinfluss vergoren werden. Beides hat seine Berechtigung, es handelt sich um eine Frage der Stilistik, nicht um eine der Qualität. Ein reduktiver Moselriesling kann ebenso große Freude auslösen wie ein oxidativer nussiger Vin Jaune. Ein weiterer Effekt von Schwefel ist, dass er an Acetaldehyd binden kann, ein Abbauprodukt von Ethanol, das zwangsläufig bei der Gärung entsteht. Acetaldehyd schmeckt in hohen Dosierungen penetrant und bitter, würzt den Wein in niedrigeren Dosierungen aber mit Aromen von Haselnüssen und frischen Champignons. Fino-Sherry, der Chenin Blanc von Naturweinlegende Nicolas Joly oder auch einige der besten Champagner leben von Acetaldehyd.

…muss es aber nicht

Wieso dieser Exkurs in die Weinchemie? Ganz einfach, Fabrice Dodane gelingt ein weinchemisches Kunststück: einen reduktiven Wein zu keltern, ganz ohne Schwefel zu verwenden. Deswegen schmeckt sein Chardonnay auch nicht buttrig, nussig und hat kein bisschen der Breite, die oxidative Weine meist haben. Umgekehrt hätte zugesetzter Schwefel wohl die aromatische Tiefenschärfe verwischt; die subtile salzige Steinigkeit und die ganz zart angedeuteten Aromen junger ungerösteter Haselnüsse.

Für solche Weine gibt es kein Kochrezept, drei Parameter spielen aber mit Sicherheit eine Rolle. Erst einmal hat der Wein viel Säure, die ähnlich wie Schwefel eine antioxidative Wirkung hat. Man kennt den Effekt vom Kindergeburtstag, wenn Zitronensaft den Obstsalat vom Bräunen abhält. Außerdem prägt den Wein ein zartes aber bestimmendes Gerbstoffgerüst, das im Mund an Johannisbeerkerne erinnert. Dass Gerbstoff konserviert, wird spätestens klar, wenn man alte Tannat-Weine aus dem Madiran verkostet, die auch in vergleichsweise einfachen Qualitäten nach 30 Jahren blitzsauber im Glas stehen. Eine wesentliche Rolle spielt aber vermutlich auch das Hefelager, von dessen Wechselspiel aus fein und herb (nicht zu verwechseln mit feinherb!!!) der Wein geprägt ist. Abgestorbene Weinhefe bindet nach der Gärung jede Menge Sauerstoff und bietet so den bestmöglichen Schutz gegen Oxidation. Deswegen kann beispielsweise Champagner problemlos zwölf Jahre sur lattes auf der Hefe reifen ohne gealtert zu schmecken.

Was es sonst noch braucht, damit das Kunststück gelingt, weiß wohl nur Fabrice Dodane. Und ein Zauberer verrät keine Tricks.

Diesen wunderbaren Text verdanken wir dem Autoren Paul Kern. Merci!
@champagnerschorle
www.champagnerschorle.de

 

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Was ist eigentlich "Vin Jaune"?

Geposted von Claudia Sontheim am

Ende der 60er gab’s in Frankreich noch keine Autobahnen. Auf der Landstrassenstrecke Paris – Schweiz konnte man damals nur im Jura tanken. Erreichte man die Tankstelle in Arbois nicht vor 22:00, blieb man dort gestrandet und war gezwungen im letzten offenen Bistrot und dann im Auto feuchtfröhlich die Stunden bis zum ersten morgendlichen Benzin um 06:00 totzuschlagen. Man genoss den lokalen VIN JAUNE.

Aus der anfänglichen Verwunderung über den Geschmack wurde schnell Interesse und dann Sucht. Bei unserem häufigen Pendeln auf der Strecke wurden immer öfter längere Aufenthalte im Jura eingeplant, um diesem seltsamen Wein auf die Spur zu kommen.

Seine Rebsorte SAVAGNIN wird fast nur im Jura angebaut. Sie ist mit den weiter verbreiteten TRAMINERN verwandt. Normalerweise sinkt bei den gepressten Mosten fast aller Weine während und nach der Gärung die Hefe auf den Boden (Florhefe). Beim Savagnin steigt die Hefe hingegen in den Burgunderfässern meist nach oben und bildet einen mehr oder weniger, dichten Schleier («voile») auf dem Wein, der ihn hinreichend vor dem zerstörerischen Kontakt mit Sauerstoff schützt. In den Fässern muss der Wein dann mindestens sechs Jahre und drei Monate oder länger liegen, während durch das Holz etwa 35% bis 45% des Volumens im Fass verdunstet («la part des anges», der Anteil der Engel). Die typische, bauchige Flasche von 0,62l («clavelin») entspricht in etwa dem Rest, der nach der Verdunstung bleibt.

«vin jaune» ist oxidativer Wein. Der leichte, kontinuierliche Kontakt mit dem geringen Sauerstoff prägt den Geschmack des Weins. Viele sprechen von Ähnlichkeit mit Sherry (Manzanilla), obwohl hier der Geschmack durch Aufspriten mit starkem Alkohol erzeugt wird.

Beim «vin jaune» hat sich den letzten Jahrzehnten die geschmackliche Ausrichtung mehr einer moderneren Ausprägung genähert. Die oft ruppig wuchtige und manchmal raue Empfindung am Gaumen findet man leider nur noch in den alten Jahrgängen, und «vin jaune» kann wie kein anderer Wein steinalt werden, auch in angebrochenen Flaschen.

Heute hat sich die nußige, mandelartige Sperrigkeit weitgehend abgemildert und die Winzer arbeiten immer mehr darauf hin, die breit gefächerte Fruchtigkeit des Savagnins und seine Mineralität zum Ausdruck zu bringen. Da erscheinen oft exotische Noten, Citrusfrüchte wie Bergamotte oder rosa Grapefruit neben der meist sanft ausgeprägten Cremigkeit durch die Hefe und der deutlich mineralischen Prägung der kalkhaltigen Juraböden.

Liebt man ihn, gibt es wenig andere Weine, die einem soviel Spass bereiten.

von @wolfgangpanzer

 

 

 

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0,75 Liter in der Weinflasche. Warum?

Geposted von Claudia Sontheim am

Weinflaschen haben heute fast immer 0,75l Inhalt. Warum gerade diese 0,75l und nicht 1l? Wäre einfacher.

Seit 1977 hat die EU die 0,75l mit einer EU-Norm geregelt. Ab 1989 musste das in der EU eingehalten werden. Aber warum hat sich die EU gerade auf diese Füllmenge festgelegt? Vorher variierten die Volumina in Europa um die 0,7l mit Abweichungen von 0,65l bis 0,85l, unter Wirten als «Eintel» geführt. Wie kam die EU auf die 0,75l?

Dazu werden die verschiedensten Gründe und Argumentationen angeführt, die bis in die Entstehungsgeschichte der Glasflaschen als Behältnisse für Wein zurückführen, auf ihre handwerkliche Herstellung und schließlich ihre maschinelle Fabrikation:

  • die Pustekraft der Glasbläser
  • die angemessene Menge Wein für eine Mahlzeit (laut Mönch Dom Pérignon)
  • die perfekte Größe für die Lagerung
  • die ideale Größe und Form für den Transport
  • die präzise Füllmenge
  • 1 kg gepresste Trauben ergibt 0,75l Saft

 Alles falsch…

Wein wurde bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhundert hauptsächlich in Fässern transportiert. Eine teure Flaschenfüllung war früher nur besonderen Weinen vorbehalten. Die ab dem 16. bis ins 19. Jahrhundert mundgeblasenen, bauchigen Flaschen (Pferdefuss genannt, wegen der tiefen Einbuchtung am Flaschenboden) waren alles andere als präzise, was die Füllmenge anging. Tür und Tor stand offen, um mit Füllmenge, Qualität und Herkunft des Weins Schindluder zu treiben.

Nach mehreren Versuchen, Flaschen «industriell» herzustellen, schafften es schließlich die Amerikaner in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts für ihr Bier kleine Flaschen in großen Mengen zu produzieren. In Europa ist man auf den Zug aufgesprungen. Leider konnten diese ersten Maschinen aufgrund von Problemen bei der Auskühlung des Glases, damals keine größeren Flaschen herstellen. Das Fassungsvermögen war maximal um die 0,75 Liter. Da man aber größere Flaschen wollte, wurde die industriell hergestellte Flasche nicht flächendeckend eingeführt. Die verschiedenen Hersteller boten Flaschen mit verschiedensten Füllmengen an. Ein Etikett wurde draufgeklebt, dessen Angaben in den meisten Fällen nicht dem Inhalt der Flaschen entsprach. 

Um diesem bis weit ins 20. Jahrhundert andauernden Missstand Einhalt zu gebieten, wurden in den jeweiligen Ländern Prädikate und Ursprungsbezeichnungen (AOC, DOC, GG etc.) eingeführt, um die weintypischen Charakteristika wie Traubensorte oder Herkunftsgegend zu garantieren. Da jedoch in punkto Füllmenge bei sich zunehmend ausbreitendem Flaschengebrauch immer noch ein Chaos in der EU herrschte, entschloss man sich, eine EU-Norm einzuführen.

Als Basis dafür ist man weit in der Geschichte zurückgegangen. Über Jahrhunderte haben die Engländer Wein aus Frankreich (Bordeaux) per Schiff importiert. Ihre Maßeinheit war die «Imperial Gallon», etwa 4,55 Liter. Man baute also Fässer mit einem Fassungsvermögen von 50 Gallonen = 225 Liter = 1 Barrique = 300 Flaschen à 0,75 Liter. Für eine Imperial Gallon braucht man 6 Flaschen à 0,75 Liter. Daher auch die Usance, Flaschen in Sechser- oder Zwölferkisten zu verpacken. Eine oder zwei Gallonen. Bei den Diskussionen in der EU um die Füllmenge, haben sich die Briten mit ihrem Vorschlag durchgesetzt.

Größe einer Weinflasche

Heute hat man sich der EU-Norm weltweit meist angepasst. In der Schweiz und in den USA gibt es aber immer noch Flaschen mit 0,7 Litern.

Nebenbei gesagt, haben sich die Barriques auch deshalb durchgesetzt, weil sie flacher gebaut waren als die üblichen Weinfässer. Man konnte daher mehr von ihnen im Schiffsbauch unterbringen. Trotzdem gelten für viele Weinbauern die Barriques auch heute noch als vollkommen ungeeignet, um Wein in ihnen gären oder reifen zu lassen, da die flachere Krümmung der Wände das nötige Zirkulieren des Weines im Fass zu sehr verhindert.

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